Film

Interview: Markus Gubler, erweiterte Geschäftsleitung

«Dem Film sind keine Grenzen ­gesetzt…»

Mit dem Aufstieg von Social Media haben bewegte Bilder an Bedeutung gewonnen. Wie Verbände und Berufsorganisationen das Potenzial von Filmen für ihre Kommunikation nutzen, wollten wir vom Filmemacher Tom Traber erfahren.

 

   inforo: Was kann ein Film, was ein Text nicht kann?
Traber: Filme vermitteln Inhalte und Botschaften multimedial, Texte sind eindimensional. Texte arbeiten mit abstrakten Zeichen, mit Buchstaben. Diese müssen wir zuerst übersetzen, damit sie einen Sinn ergeben. Texte lassen viel mehr Raum für Interpretationen zu. Der Film dagegen wirkt unmissverständlich und direkt.

   Sie sagen, Filme wirken direkter als Texte. Mit welchen Folgen für die Inhalte?
Im Film kann ich die Wirkung von Botschaften und Informationen stärker prägen. Welche Stimmung erzeuge ich, welche Emotion gebe ich mit? Dazu stehen mir Musik und andere Stilmittel zur Verfügung. Wie stark «manipuliert» wird, ist abhängig vom Wirkungsziel und vom Genre. Im Nachrichtenjournalismus ist der Einsatz stimmungsbildender Stilmittel tabu. In der Werbung hingegen selbstverständlich.

   Worin unterscheiden sich Texte und Filme in ihren Gestaltungsmöglichkeiten?
Der Film ist – im Gegensatz zum Text – ein sogenanntes «Container-Medium». Neben dem eigentlichen Filmbild kann er Texte, Fotografien, Grafiken, Animationen, Töne und Musik enthalten. Diese Elemente lassen sich beliebig kombinieren. Dabei gilt: Je multimedialer der Film, desto planungsintensiver, aufwändiger und teurer ist seine Produktion.

   Richten wir den Blick nun auf die ­Objekte vor der Linse. Gibt es Ereignisse, die sich besser in Szene setzen lassen als andere?
Grundsätzlich lässt sich jedes Ereignis filmisch abbilden. Dem Film sind da keine Grenzen ­gesetzt. Es ist alles eine Frage der Inszenierung, der Dramaturgie. Sicher: Eine Action-Szene ist immer intensiver und spannender als eine Büroszene. Aber auch in vordergründig langweiligen Szenen kann man gestalterisch reizvolle Momente und erzählenswerte Geschichten ­finden.

 

«Bewegtbild ist das
Medium der Stunde.»

Tom Traber

 

   Brauchen Verbände und Berufsorganisationen heute eine Bewegtbildstrategie?
Heute, wo fast alle Bereiche unseres Lebens von Suchmaschinen und Smartphones bestimmt sind, kann es sich keine Organisation leisten, nicht mit Bewegtbild zu kommunizieren. Bewegtbild ist das Medium der Stunde. Keine Strategie zu haben, wäre deshalb eine schlechte. Das gilt nicht nur für Markenunternehmen und Grosskonzerne. Es gilt auch für KMU, Behörden, Non-Profit-Organisationen und Berufsverbände. Eine Strategie hilft, Inhalte und Kanäle methodisch zu planen und die Mittel dort einzusetzen, wo sie möglichst viel bewirken.

   Welche Möglichkeiten eröffnet das Bewegtbild der Verbandskommunikation?
Verbände und Berufsorganisationen können mit Filmen direkt und zeitgemäss kommunizieren – gegen innen und aussen. Filme lassen sich vielseitig einsetzen: In der Öffentlichkeits- und Medienarbeit, für Interviews mit Fachpersonen, für Schulungsvideos aber auch für Social-Media-Stories und Event-Reportagen.

   Was macht für Sie einen guten Imagefilm aus?
Ein Imagefilm ist für mich dann geglückt, wenn er es schafft, einer Organisation eine Persönlichkeit, ein Gesicht zu geben. Er gibt Auskunft über die Identität eines Unternehmens. Im Zentrum eines Imagefilms sollten also die Vision, die Werte und die gesellschaftliche Relevanz einer Organisation stehen. Gelingt es Filmen, die Daseinsberechtigung eines Unternehmens auf eine sympathische, rational schlüssige und emotional kraftvolle Weise authentisch und glaubwürdig zum Ausdruck zu bringen, können sie das Fremdbild eines Unternehmens entscheidend prägen. Gleichzeitig schaffen sie gegen innen Orientierung, Identifikation und Zusammenhalt.

   Sie messen dem Imagefilm einen hohen Stellenwert bei.
Richtig. In der Gesamtkommunikation übernimmt er eine hohe Verantwortung. Deshalb braucht ein Imagefilm genügend Vorbereitungszeit. Es empfiehlt sich, viel Arbeit in das Konzept zu investieren und bei der Umsetzung unbedingt auf das Knowhow von erfahrenen Profis zu vertrauen.

   Wohin führt der Weg in der visuellen Kommunikation?
Visuelle Kommunikation geschieht heute grundsätzlich digital. Immer intelligentere Software und immer leistungsstärkere Rechner verschieben laufend die Grenzen des technisch Machbaren. In kurzen Abständen entstehen neue Kanäle, neue Anwendungsmöglichkeiten, neue Trends und Stilströmungen. Es sind nicht mehr die Künstler und Kreativen, die den Zeitgeist und die Stilmittel prägen, sondern die Apps und Businessmodelle der grossen Technologiekonzerne. Apple, Alphabet, Facebook und Konsorten bestimmen nicht nur, auf welchen Kanälen wir kommunizieren, sie liefern uns auch die Hard- und Software, die wir brauchen, um Medien für diese Kanäle zu gestalten. Mehr noch: Sie geben uns auch gleich vor, nach welchen formalen, inhaltlichen und kreativen Spielregeln wir Inhalte gestalten müssen, damit sie «erfolgreich» sind. Ich sehe die Gefahr, dass visu­elle Kommunikation immer uniformer, immer gleichförmiger, immer funktionaler und damit auch immer austauschbarer wird.

   Der Schweizer Lokal-Fernsehsender Léman Bleu stattet seine Reporter mit iPhones aus. Damit erstellen sie ihre Beiträge und nutzen die Geräte zur Live-Übertragung. Die Vorteile: reduzierte Produktionskosten und einfache Verbreitung der Clips über Social-Media-Kanäle.
Die Gratiskultur des Internets hat dazu geführt, dass heute kaum noch jemand bereit ist, für mediale Inhalte zu bezahlen. In den klassischen Medien gehen die Werbeeinnahmen stark zurück. Das zwingt die Verleger, ihre Produktionskosten zu senken. Man setzt auf einfache, unkomplizierte Technik, die wenig kostet und sich schnell amortisiert. Gleichzeitig wird im Journalismus der Faktor «Geschwindigkeit» immer wichtiger. Wer als erster eine Meldung publiziert, erhält die grösste Aufmerksamkeit.

 

Tom Traber hat einen Abschluss in Journalistik und ­Kommunikationswissenschaften der Universität Fribourg. An der Filmakademie Baden-Württemberg liess er sich zum Regisseur ausbilden. Seit 2002 führt Traber eine eigene Filmproduktionsfirma in Bern. Als Experte für audiovisuelle Medien berät er Unternehmen aus dem In- und Ausland. Er begleitet Behörden, Verbände und NPO bei der Planung und Konzeption von Bewegtbildmedien für die Organisationskommunikation. Tom Traber bietet Workshops und Seminare für Schulen und Hochschulen an und ist auch in der Lehrer­fortbildung tätig.