Medientraining

Interview: Markus Gubler

«Journalisten haben klare Absichten...»

Verbandskader vereinen standespolitisches Wissen und berufliche Fachkompetenzen. Deshalb sind sie wichtige Auskunftspersonen – auch für das Fernsehen. Wie man vor der Kamera überzeugend auftritt, wollten wir vom Journalisten und Medientrainer Etienne Duval erfahren.*

* das Interview wird in verkürzter Version wiedergegeben.

 

   inforo: Verbandskader bekleiden in der Schweiz Milizämter. Oftmals erreichen Anfragen von Journalisten sie während der Arbeitszeit – mit vielfach kurzen Antwortfristen. Wie sollen sie reagieren?
Etienne Duval: Ich empfehle nachdrücklich, nie ohne Vorbereitung zu antworten und stattdessen beim Journalisten nachzufragen. Unter welchen Bedingungen findet das Gespräch statt? Wo wird das Interview ausgestrahlt? An wen richtet sich die Sendung? Sind diese Fragen geklärt, ist es sinnvoll, sich mit der Medienstelle des Verbandes abzusprechen. Wer in ein Interview einwilligt, muss sich vorab im Klaren sein, was er sagen will und was nicht.

   Müssen Medienanfragen beantwortet werden?
Niemand zwingt einen, zu antworten. Ist der Zeitpunkt ungünstig, lieber keinen Kommentar abgeben, als Falschaussagen zu machen oder mit unüberlegten Antworten Kontroversen zu provozieren.

   Darf vom Journalisten verlangt werden, die Interviewfragen vorzulegen?
Das liegt im Ermessen des Journalisten. Es bleibt aber immer die Möglichkeit, Fragen abzulehnen. Der Journalist hat jedoch das Recht, vor der Kamera zu sagen, der Interviewte habe Fragen nicht beantworten wollen.

   Welche Arten von Interviews gibt es?
Im Fernsehen unterscheidet man zwei verschiedene Interviewarten: Das aufgezeichnete Themeninterview und das direkte Live-Interview. Ersteres setzen die Sender für Gespräche in Dokumentationen oder Magazinen ein, Letzteres vielfach bei Nachrichtensendungen.

 

«Eine gute Vorbereitung ist
unerlässlich»

Etienne Duval

 

   Sie sprechen von Themen- und Live-Interviews. Wie unterschieden sich diese in der Vorbereitung?
In beiden Fällen ist eine gute Vorbereitung unerlässlich. Bei aufgezeichneten Interviews lassen sich Antworten wiederholen. Gerade bei falschen Fakten oder unklaren Aussagen stellen Journalisten Fragen erneut – zum besseren Verständnis. Anders beim Live-Interview: Die Antworten sollten kurz und präzise sein, Gesagtes lässt sich hier nicht wiederholen. Ein Zögern, ein verlegener Blick, nichts bleibt dem Publikum verborgen. Darauf gilt es sich vorzubereiten.

   Ein Sprichwort sagt: Kleider machen Leute. Gilt dies auch für den Fernsehauftritt?
Man sollte Kleider wählen, in denen man sich wohl fühlt. Ich empfehle aber immer auch den Rahmen des Gesprächs und das Zielpublikum zu beachten. Kleider kommunizieren und senden eine Botschaft ans Publikum. Gerade formelle Kleider wie Anzüge wirken nüchtern, professionell, aber auch distanziert.

   Bei Interviews ist nicht nur das Gesagte wichtig. Auch der Blick, die Haltung und die Stimme entscheiden. Sollen Verbandskader ihren Auftritt vorher durchspielen?
Eine dynamische Vorbereitung ist immer sinnvoll. Ich rate auch Verbandskadern grundsätzlich, ein Medientraining zu absolvieren. Fehlt die Zeit, empfehle ich, die Interviewsituation zu simulieren. Am Arbeitsplatz oder zuhause: Auch in wenigen Minuten lassen sich Antworten auf die schwierigsten Fragen durchspielen – mit dem wichtigen Nebeneffekt: Man spürt den Druck der Interviewsituation hautnah und sammelt Erfahrungen. Noch effektiver ist es, mit dem Smartphone das Interview aufzunehmen. So erhalten Kader ein authentisches Bild, wie sie vor der Kamera wirken. Und Blick, Haltung und Stimme lassen sich auf einfache Weise einstudieren.

   Ist das Auswendiglernen von Antworten sinnvoll?
Ich bevorzuge authentische, spontane Antworten. Auswendig Gelerntes wirkt gekünstelt. Wort- und Satzstellungen entsprechen nicht der gesprochenen Sprache. Zudem ist die Gefahr gross, sich zu verhaspeln. Sich einzelne Schlüsselwörter zu merken, die man unbedingt im Gespräch verwenden will, ist effektiver.

   Im Scheinwerferlicht zu stehen, ist für viele Verbandskader ungewohnt. Wie kriegen sie das Lampenfieber in den Griff?
Lampenfieber zu kontrollieren, ist eine Frage der Übung. Neulingen rate ich immer, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagen wollen. Dank dem Fokussieren legt sich das Lampenfieber. Die Botschaft ist wichtig, nicht der Absender. Und: Routine stellt sich meist schnell ein. Es genügen ein, zwei Auftritte im Scheinwerferlicht.

   Journalisten wollen Geschichten erzählen. Sie haben eine klare Vorstellung, wie ein Interview ablaufen soll. Wie kann der Interviewte auftreten, damit zwischen ihm und dem Journalisten ein ausgewogener, kontrollierter Dialog entsteht?
Die Frage wird mir häufig gestellt: «Wie verhindere ich, dass ich dem Journalisten in die Falle tappe?» Journalisten stellen keine Fallen, sie versuchen, Informationen und Geschichten aufzudecken, die im Verborgenen liegen. Ihnen ist nicht daran gelegen, Interviewpartner zu diskreditieren. Journalisten haben klare Absichten. Sie nutzen das Interview als Instrument, um an Informationen zu kommen. Dies gilt auch für das Streitgespräch, wo Gegenpositionen vertreten werden. Die Konfrontation geschieht bewusst. Nur wenn sich Journalisten und Gesprächspartner auf Augenhöhe begegnen, die Spielregeln akzeptieren, ist ein Interview effizient. Dann entsteht zwischen Interviewer und Interviewtem ein Klima des Vertrauens.

   Wie stellen Verbandskader sicher, dass wichtige Punkte – trotz vorgegebenem Rahmen – ins Gespräch einfliessen?
Wer geübt ist, kann eigene Inhalte mühelos unterbringen. Ich mahne zur Vorsicht. Vielfach schweifen die Befragten ab, beantworten die Fragen gar nicht. Politiker tendieren häufig dazu – zum Ärger der Bürger. Es braucht ein Gleichgewicht. Mit Sätzen wie «Wir als Verband, als Organisation, legen auf folgende Punkte Wert: A, B, C und D» gewinnen Verbandskader Raum, um weitere Botschaften zu platzieren.

   Bei einem Zeitungsinterview lassen sich Zitate nachträglich autorisieren. Diese Möglichkeit fällt beim Liveauftritt weg. Wie soll man reagieren, wenn das Gespräch in eine falsche Richtung läuft?
Nicht zögern und sich selber unmittelbar korrigieren. Besonders bei einem Irrtum. Wenn ich sage: «An der Konferenz in Zürich berichtete Forscher Meier über die neusten Erkenntnisse…», die Konferenz fand aber in Bern statt, ist eine sofortige Korrektur nötig. Wenn ich das Gefühl habe, zu weit gegangen zu sein, kann ich mich auch subtil selber korrigieren: «Was ich eigentlich damit sagen wollte, ist…» So kann ich gemachte Aussagen abschwächen.

   Was raten Sie einem Verbandsmitglied, das gegen aussen eine Haltung vertreten muss, die es selber nicht teilt?
Das Verbandsmitglied soll sich als Interessenvertreter zu erkennen geben, der im Namen der Organisation spricht. Das ist seine Mission. Sein Auftritt sollte ehrlich, glaubwürdig und authentisch sein. Anstatt in der Ich-Form zu sprechen, kann das Mitglied auf die Wir-Form ausweichen. So lässt sich die persönliche Meinung im Gespräch geschickt verbergen.

 

Etienne Duval ist ein französisch-britischer Journalist, Medientrainer und TV-Reporter. Er blickt auf eine über 35-jährige Karriere zurück. Duval arbeitete für BBC, RTS und andere europäische Sender. Seine Erfahrung gibt er als privater Medientrainer, Moderator und Dozent an Journalistenschulen und Universitäten weiter. Etienne Duval ist Inhaber der Produktionsfirma NewTownVision und lebt in Edinburgh.