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Das unterschätzte Medium

Jahresberichte zu verfassen ist für viele Organisationen eine lästige Pflicht. Richtig eingesetzt entfalten diese Berichte enormes Kommunikationspotenzial.

 

Juni 2013. Die ostdeutsche Stadt Magdeburg kämpft gegen das schlimmste Hochwasser in ihrer Geschichte. Unaufhörlich steigt der Wasserpegel der Elbe. Ganze Stadtteile werden geräumt. Mehr als 20 000 Bürger müssen ihre Häuser verlassen. Die größte Sorge gilt einem Elektrizitätswerk der städtischen Werke Magdeburg. An ihm hängen nicht nur zehntausende Haushalte und die örtliche Industrie, es liefert auch Strom zum Abpumpen der Wassermassen. Magdeburg war in diesem Sommer im Ausnahmezustand. Glücklicherweise verlief das Jahrtausendhochwasser glimpflich – auch weil alle Betroffenen gemeinsam gegen die Fluten ankämpften.

Ein Ereignis, an das sich viele mit Schrecken erinnern. Und doch hatten die städtischen Werke Magdeburg den Mut, das Hochwasser in ihrem Jahresbericht 2013 zu verarbeiten. Bildauswahl, Grafiken und Layout des Berichts folgen dem Bedrohungsszenario. Durch sämtliche Seiten zieht sich eine rote Linie. Sie markiert den steigenden Wasserpegel. Und die Bilder nehmen den Leser mit an den Ort des Geschehens, wo tausende Menschen Hand in Hand Sandsäcke abfüllen und zu künstlichen Dämmen auftürmen, und wo die Mitglieder der Geschäftsführung in den bangen Stunden schwierige Entscheide zu treffen haben.

Jahresberichte sind im Grunde Leistungsberichte. Mit ihnen legen Unternehmen, Verbände und Organisationen Rechenschaft ab über die Tätigkeiten im vergangenen Jahr sowie über die eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen. Wollen Jahresberichte wirken, müssen sie über den Pflichtteil – bestehend aus Vorwort des Vorstandes, Bilanzen, Jahres- und Erfolgsrechnungen, Bericht der Revisionsstelle – hinaus den Adressaten Mehrwert bieten. Spannende Hintergrundberichte liefern, persönliche Geschichten erzählen oder ein relevantes übergeordnetes Thema wie die Jahrhundertflut aufgreifen. So werden aus gewöhnlichen Jahresberichten lesenswerte Nachschlagwerke mit nachhaltiger Wirkung.

Gut gemachte Jahresberichte, das belegt das Beispiel aus Magdeburg, entfachen Emotionen. Sie können eine Unternehmung, einen Verband oder eine Marke nachhaltig prägen und positive Reputation verleihen. Mehr noch: Jahresberichte motivieren Mitarbeiter und stärken ihre Verbundenheit zum Arbeitgeber. Sie helfen mit, neue Mitglieder zu gewinnen oder bestehende auf eine Linie zu bringen. Ob Visionen oder strategische Neuausrichtung: Melden sich Vorstände aus Unternehmen und Verbänden in Jahresberichten zu Wort, signalisieren sie damit Transparenz und Offenheit.

Der Wille zur Kommunikation ist das Eine. Doch nur klare Botschaften sowie eine stimmige optische wie haptische Umsetzung machen den Jahresbericht zum wirksamen Kommunikationsinstrument. Deshalb setzen nach wie vor viele Unternehmen und Verbände auf gedruckte Jahresberichte. Auch wenn Online-Versionen interaktive Anwendungsmöglichkeiten bieten, an das reale Lesererlebnis, das sich beim Umblättern eines hochwertigen Papiers einstellt, kommen sie nicht heran.

Zurück nach Magdeburg: Die Macher des Jahresberichts liessen sich auch bei der Verpackung etwas Besonderes einfallen: Sie verschickten die Berichte in Umschlägen, die aus dem gleichen Material bestanden wie die bei der Katastrophe verwendeten Sandsäcke. Für dieses Konzept heimsten das Energieunternehmen und die verantwortliche Agentur mehrere Preise ein. Dies beweist: Es lohnt sich für Unternehmen und Verbände, in Jahresberichte zu investieren.