Werbung

Interview: Sandra Küttel

Gute Werbung,
wie geht das?

Geht es um Werbung, schäumt die Kreativität bei vielen Menschen über. Und das oft nicht zum Vorteil der Qualität. Was macht gute Werbung aus? Wir haben jemanden gefragt, der es wissen muss: den Werber Hermann Strittmatter, Inhaber der Werbeagentur GGK Zürich.

 

    inforo: Christoph Blocher schnippelt seinen Rasen mit der Nagelschere, Adrian Amstutz landet mit dem Fallschirm in Blochers Pool und die Polit-Prominenz singt Schlager: Die Wahlvideos 2015 waren voller freiwilliger und unfreiwilliger Komik. Zumindest in der Deutschschweiz obsiegte der Klamauk vor der politischen Auseinandersetzung. Was ist von solchen Kampagnen zu halten?
Hermann Strittmatter: Diese populistischen Scherze sind weder freiwillig noch unfreiwillig komisch. Sie sind ganz bewusst auf die Zielgruppe ausgerichtet. Das sagt eigentlich schon alles.

    Bestimmte Wählerkreise lassen sich mit Spektakel besser erreichen als mit politischen Argumenten. Auch Provokation dient diesem Zweck. Wie beurteilen Sie den Nutzen dieser Strategie für politische Kampagnen?
Die grösste Provokation sind gewisse Kandidaten und Politiker selber. Provokation ist durchaus angebracht, wenn man davon ausgeht, dass die Stimmbürger über genügend Intelligenz verfügen, sie richtig zu bewerten und einzustufen.

    Sprechen wir über Werbemittel: Sind Plakatkampagnen noch zeitgemäss?
Mit Plakaten lässt sich etwas optisch vermitteln, ohne ins Detail zu gehen. Sie erfordern, dass man politische Botschaften korrekt und präzise formulieren kann. Gerade für die Entwicklung einer Kampagne sind sie wichtig. Sie helfen, Positionen und Botschaften zu erarbeiten. Am Plakat erweist sich die Kommunizierbarkeit. Der Nachteil von Plakaten ist der enorm hohe Streuverlust. Nehmen wir an, ein Sozialdemokrat will im Kanton Zürich eine Plakatkampagne für die Ständeratswahl machen. Nun leben im Kanton Zürich 25% Ausländer, von den restlichen 75% gehen 55% nie an die Urne, von den übrigen Stimmbürgern würden 35% nie und nimmer einen Sozialdemokraten wählen. Das ergibt einen Streuverlust von 80%! Für die nationale Emotionalisierung – breit gestreut – kann ein Plakat durchaus nützlich sein. Kandidatenplakate dienen vor allem dem narzisstischen Ego. Ich rate Wahlkampfleitern, am Arbeitsplatz und am Wohnort des Kandidaten ein paar Plakate aufzustellen, dann ist er oder sie zufrieden. Wie im privaten Leben muss man alles, was mit Politik zu tun hat, erst recht mit einem hohen Mass an Ironie betrachten und behandeln sowie andere und sich selber nicht allzu ernst nehmen.

    Und welche Rolle spielen Zeitungsinserate noch in unserer digitalen Welt?
Sie haben darum einen hohen Wert, weil in der Schweiz immerhin 2,5 Millionen Wähler an die Urne gehen. Das sind Leute, die sich für Hintergründe des politischen Geschehens interessieren. Mit Inseraten erreicht man im Grossen und Ganzen Leute, die sich überzeugen lassen wollen.

    Zeitungen geben auch digitale Produkte heraus...
Leider führt die Digitalisierung zur Vernachlässigung der Sprache. Das Deutsch, das wir heute in Printmedien vorgesetzt bekommen, wird inzwischen auch von Online-Journalisten verfasst, die es mit der Sprache nicht so genau nehmen. Wenn die Sprache verludert, verkommt der Geist. Und wer nicht sauber denken kann, kann auch nicht richtig schreiben.

    Nennen Sie uns einige Gebote und Verbote in der politischen Werbung?
Gebote sind: Authentizität und Glaubwürdigkeit. Verbote: das Gegenteil.

    Was macht gute Werbung aus?
Sie muss überraschen, also Aufmerksamkeit erregen. Sie muss interessant sein und zum Kauf eines Produkts anregen, das Konsum- oder Wahlverhalten beeinflussen können. Das Gegenstück dazu ist schlechte Werbung.

    Warum gibt es so viele schlechte Fernsehspots?
Dazu ist zu sagen, dass Werbespots, die mit einem hohen Budget produziert werden, immer ein Pretest vorausgeht. Man überprüft, ob die Idee verständlich und originell, die Umsetzung sympathisch ist. Erst wenn der Test positiv verläuft, wird der Werbeclip eingesetzt. Viele dieser unerträglichen Spots haben wir uns also selber zu verdanken. Wir sind so wie diese doofen Filmchen. Diese Erkenntnis hat mich im Lauf der Zeit zu einem Kulturpessimisten gemacht.

   Gibt es eine Werbekampagne, die Sie in der Vergangenheit besonders beeindruckt hat?
Ganz klar: die Bibel. Es gibt kein Medium, das so viele Horrorgeschichten wie das Alte Testament und so viele Märchengeschichten wie das Neue Testament bringt. Beides zieht.

    Kommen wir auf aktuellere Beispiele zu sprechen: Sie haben für Economiesuisse und andere Organisationen eine Reihe erfolgreicher Kampagnen realisiert. Nennen Sie uns Ihr Geheimrezept?
Es braucht die richtige Strategie und ein funktionierendes Konzept. Werbung ist eine Denkaufgabe, unwiderruflich. Voraussetzung für die kreative Umsetzung: offene Augen und Ohren sowie ein offener Geist für alles, was auf der Welt passiert. Keine Abschottung in pseudokreativen Kämmerchen, kein Küchentisch-Brainstorming! Nur aus der Verbindung aller Sinne können assoziative Umsetzungen entwickelt werden, die der Anforderung an erfolgreiche Werbung genügen. Die Kunst der kreativen Verdichtung ist angesagt.

    Wie gehen Sie also vor, wenn Sie den Auftrag für eine Kampagne erhalten?
Ich ziehe die für die jeweilige Aufgabe besten Leute zu einem Team zusammen. Das geht aber nur, wenn ich persönlich die Verantwortung trage.

    Was zeichnet eine wirklich gute Werbeagentur aus?
Wenn sie die Kongenialität des Auftraggebers spürbar oder sichtbar macht.

    Sie sind seit Jahrzehnten im Werbebusiness. Hat sich in dieser Zeit an den Grundlagen der Werbung etwas geändert?
Ausser dem Primat der Kreativität eigentlich alles. Bei den Auftraggebern kam es in den vergangenen Jahrzehnten zu massiven Strukturveränderungen: Fusionen, neue Managementstrukturen, veränderte Angebote oder neue Zielsetzungen. Das führte zur Vernachlässigung der mittel- bis langfristigen Markenpflege. Marken sind verschwunden, neue Marken sind entstanden oder wurden neu positioniert. Der Druck des Shareholder-Values führt zu einer immer kurzsichtigeren Erfolgsdefinition. Kurzfristiges Return on Investment ist angesagt. Logisches Denken wird als Instrument der konservativen Denkmalpflege beschimpft. Big-Data-Strategien mit Ansprache eines Massenpublikums nehmen kaum noch differenzierte kreative Umsetzungen in Anspruch. Während Jahrzehnten aufgebaute Marken werden zertrümmert. Der Wertewandel hat zu einer Wertezerstörung geführt.

    Was bleibt dann noch?
Zum Glück gibt es immer noch einen widerstandsfähigen Kern von Unternehmen und Verantwortlichen, die sich nicht von diesem Main-Stream-Shit mitreissen lassen. Und für solche gibt es immer noch genug Erfreuliches zu tun.

 

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Für die Werbung ist dies die renommierte Agentur GGK Zürich
von Hermann Strittmatter.

 

Hermann Strittmatter ist mit seiner Werbeagentur GGK immer wieder an grossen nationalen Abstimmungen beteiligt: 2005, 2006 und 2009 prägten seine Plakate und Inserate die erfolgreichen Kampagnen zugunsten der bilateralen Verträge. In den letzten zwei Jahren gestaltete er mit seinen Kreativen unter anderem die ebenso erfolgreichen Kam- pagnen von Economiesuisse gegen die 1:12-Lohninitiative und gegen die Initiative für einen Mindestlohn, gegen die Ecopop- und die Erb- schaftssteuer-Initiative. Für die Schweizerische Zahnärzte-Gesell- schaft SSO gestaltete er im Auftrag von forum|pr eine Kampagne zugunsten des SSO-Labels. Er ist der Autor des FDP-Slogans «Aus Liebe zur Schweiz. Mit Mut und Verstand». Website: www.ggk.ch